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Historie der
Prozessanalytik

 

Industrie- und Filmmuseum Wolfen
(1909 - 1994)

- Auszeichnung des Standortes Wolfen als Historische Stätte der Chemie -
- von herausragender Bedeutung für die Entwicklung des fotografischen Films

Historische Stätten der Chemie

Würdigung der ehemaligen Filmfabrik Wolfen

Am 27. August 2010, gut 100 Jahre nachdem die Filmfabrik Wolfen ihre
Produktion aufgenommen hatte, wird das Industrie- und Filmmuseum
Wolfen im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen von der Gesellschaft Deutscher
Chemiker (GDCh) als Historische Stätte der Chemie ausgezeichnet
.

In einem Festakt unter Mitwirkung der Kultusministerin von Sachsen-Anhalt, Professor Dr. Brigitta Wolff, werden die technisch-wissenschaftlichen Leistungen der Filmfabrik bei der Entwicklung des Industriestandortes gewürdigt. Der
Festakt schließt mit der Enthüllung einer Gedenktafel, bei der die GDCh durch ihr Vorstandsmitglied Professor Dr. Annette Beck-Sickinger vertreten ist. Außerdem erscheint eine Broschüre, die jedem Interessierten die wissenschaftlichen Leistungen der Wolfener Chemiker und die Tragweite ihrer Arbeiten im aktuellen Kontext näher bringt.

Mit der Ansiedlung der Filmfabrik der Berliner Aktiengesellschaft für
Anilinfabrication (Agfa) nahe Wolfen vollzog sich die Wandlung von
einer landschaftlich geprägten Region zu einem Industriestandort von
herausragender Bedeutung.

Bereits 1911 liegen erste Forschungsergebnisse in Wolfen vor, die eine
schrittweise Ablösung der brennbaren Nitrocellulose durch
Acetylcellulose als Filmunterlage ermöglichen. Schon 1913, also nach
drei Jahren, hat das Werk seine Kapazitätsgrenze erreicht. Eine
zweite Filmfabrik wird gebaut. 1917 erhöht sich die Nachfrage nach
Filmen, weil wegen des Ersten Weltkrieges die Filmimporte ausbleiben,
zum anderen aber die UFA gegründet wird. 1921 kommt ein
Spitzenerzeugnis aus Wolfen auf den Weltmarkt: der
Agfa-Negativ-Spezial-Kinefilm. Nach Versuchsarbeiten an
Viskosekunstseide nimmt man 1922 in Wolfen die Produktion von
Kunstseide auf, der Beginn der Chemiefaserforschung, - entwicklung und –produktion an diesem Standort.

Auch die Inflation kann den Aufschwung nicht bremsen: 1923 wird mit
dem Bau der dritten Filmfabrik begonnen. Ab 1925, als die Agfa ihre
Selbstständigkeit aufgibt und Gründungsmitglied der I.G.
Farbenindustrie AG wird, werden in Wolfen verstärkt Labore für
Kunstseide- und Zellstoffforschung
eingerichtet. Das Wissenschaftliche
Laboratorium im alten Agfa-Werk in Berlin wird 1928 aufgelöst, die
Forscher siedeln nach Wolfen um, wo im „Wissenschaftlichen
Zentral-Laboratorium der Photographischen Abteilung – Agfa“ unter der
Leitung des Chemikers Professor Dr. John Eggert (1891 bis 1973)
Forschung für fotografische Filme betrieben wird. Parallel werden
Forschungslabore für Faserprodukte aufgebaut.

In Wolfen können Neuentwicklungen
am laufenden Band vorgestellt werden.
Ein weiterer Meilenstein wird 1934 mit der Inbetriebnahme der
Versuchsanlage zur Herstellung der ersten synthetischen Faser, PeCe,
errichtet. Diese „Spinnfaser aus Kohle und Kalk“, wie es damals in der
Werbung hieß, war eine Faser auf Basis von nachchloriertem Polyvinylchlorid, die sich nicht für textile Zwecke, wohl aber für
technische Anwendungen eignete.

1936 folgt der nächste, vielleicht sogar der größte Erfolg der
Wolfener Forscher: Sie entwickeln den ersten praktikablen Mehrschichtenfarbfilm mit diffusionsfesten Kupplern zur Marktreife
. Es ist ein Umkehr-Film, der 1937 auf der Pariser Weltausstellung mit dem „Grand Prix“
ausgezeichnet wird. 1943 wird in Wolfen die Magnetbandproduktion
aufgenommen.

Im April 1945 wird das Werk durch die Amerikaner schwer zerstört und
geplündert
. Während Produktionsunterlagen, Patente, Rezepte und Muster
bereits zuvor durch die Werksleitung in westlich gelegene I.G.
Betriebe verlagert worden waren, werden noch vorhandene
Rohstoffvorräte zum Konkurrenten Kodak transportiert. 18 Wolfener
Direktoren und Wissenschaftler müssen den Amerikanern bei deren Abzug
folgen und das Wolfener Know-how preisgeben. Die sowjetische
Besatzungsmacht übernimmt das zerstörte Werk und demontiert 60 Prozent
der Filmproduktion und ein Kraftwerk.

Seit 1946 ist das Werk sowjetisches Eigentum und wird von der
Kriegsgeneration unter großen Entbehrungen wieder aufgebaut. Die
Perlonproduktion läuft an, und 1953 wird die erste Polyacrylnitril-Faser produziert und unter dem Namen Wolcrylon auf den Markt gebracht. 1954 wird die Filmfabrik der DDR übergeben; es ist das Jahr, in dem neue Forschungsergebnisse aus Wolfen die Produktion des weltweit höchstempfindlichen Colorfilms ermöglichen. 1964 verordnet der Staat den Warenzeichenwechsel von Agfa zu ORWO (Original Wolfen).

Doch durch zunehmende Planungsbürokratie und die Einbindung in den
sozialistischen Wirtschaftsraum (RGW) wird das Fotochemische Kombinat,
in das die Filmfabrik als Stammbetrieb seit 1970 eingebunden ist,
zunehmend vom Weltmarkt abgeschnitten. Für den sozialistischen
Wirtschaftsraum wurden.

1989 in Wolfen von 14.500 Beschäftigten 40 Millionen Quadratmeter
Filmunterlage, 20 Millionen Quadratmeter Film in rund 200 verschiedene
Filmsorten, zwei Millionen Quadratmeter magnetische
Aufzeichnungsmaterialien, 50.000 Tonnen Sulfitzellstoff, 25.000 Tonnen
Viskosefasern, 15.000 Tonnen Papierzellstoff, 5.000 Tonnen Futterhefe,
2.000 Tonnen Viskoseseide, 2.000 Tonnen Viskosedarm und 3.000 Tonnen
PeCe-Fasern, -Borsten und –Draht produziert.

Nach der politischen Wende und der Öffnung der Märkte ist die Filmfabrik nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Treuhandanstalt Berlin fasst als Gesellschafterin der Filmfabrik Wolfen den Beschluss zur Auflösung. Es folgt 1994 der Gang in die Liquidation. Im ältesten noch erhaltenen Gebäude, der Begießerei I mit der Maschine, auf der 1936 unter Dunkel- und Reinraumbedingungen der erste Mehrschichtenfarbfim hergestellt wurde, entsteht ein Industrie- und Filmmuseum. Einige kleinere Betriebsteile werden privatisiert. Das ehemalige Verwaltungsgebäude ist heute Rathaus der Stadt Bitterfeld-Wolfen, in dem der historische Hörsaal vor wenigen Tagen wieder eröffnet wurde.
Alle anderen nicht mehr benötigten Anlagen und Gebäude wurden bereits
vor Jahren abgerissen.

Eine kostenfreie Broschüre über den ehemaligen Industriestandort
Wolfen und die wissenschaftlichen und technischen Leistungen, die dort
über achtzig Jahre lang hervorgebracht wurden, kann bei der GDCh
(Renate Kießling, r.kiessling@gdch.de <mailto:r.kiessling@gdch.de> )
angefordert werden.

Download pdf-File Broschüre (3 MB)

Quellenangabe:
Mit freundlicher Genehmigung der GDCh aus :
Historische Stätten der Chemie
Industrie- und Filmmuseum Wolfen
27. August 2010

 

 


In eigenen Büros und Werkstätten wird ein Großteil
der Maschinen selbst konstruiert und gebaut


In Dunkelräumen und unter Reinraumbedingungen –
Perforierer bei der Arbeit


Mit dem Agfacolor Neu kommt der
erste praktikable Mehrschichtenfarbfilm
1936 auf den Markt


Ein eigener Sonderanlagenbau liefert die nötigen Maschinen


Magnetbänder und Tonbandkassetten aus der Filmfabrik


Die Filmfabrik 2002. 2010 sind weitere Gebäude rückgebaut.

 

 

 

 

 

 

 


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